Die Mandukya-Upanishad oder auch Mandukyopanishad ist die kürzeste der Upanishaden. Sie behandelt die Silbe Om, die drei psychologischen Bewusstseinszustände Wachen, Träumen und Tiefschlaf sowie den transzendenten vierten Zustand der Erleuchtung (Turīya). Die Mandukya-Upanishad gehört zu den zehn Mukhya-Upanishaden und bildet einen Teil des Atharvaveda. Im Muktika-Kanon wird sie an sechster Stelle angeführt. Sie ist in Prosa abgehalten und besteht aus nur 12 Versen.

Etymologie

Der Name Mandukya-Upanishad – माण्डुक्य उपनिषद् – māṇḍukya-upaniṣad – leitet sich wahrscheinlich von einem Weisen namens Māṇḍuka – माण्डुक – ab, dem Sohn der Māṇḍuki. In der Brihadaranyaka-Upanishad wird ein Hellseher gleichen Namens zusammen mit seinen Schülern, den Mandukeyas, erwähnt. Diese Mandukeyas treten auch im Bhagavata Purana auf, in dem sie von Indra einen Zweig des Rigveda anvertraut bekommen. Die hellseherischen Mandukeyas erscheinen auch mit Hymnen über Linguistik im Rigveda.

Die Manduki Shiksha ist eine etymologische Abhandlung über den Veda und erklärt außerdem die Musiknoten der Tonleiter.

Als Manduka wird auch ein spezieller Yoga bezeichnet – eine abstrakte Meditationsübung, bei der der asketisch lebende Meditierende bewegungslos in Froschhaltung sitzt. Mandukasana ist eine der in diesem Yoga verwendeten Asanas (Sitzhaltungen).

Auf Hindi bedeutet Manḍuk – मण्डूक – Blüte und bezeichnet insbesondere die zu den Trompetenbaumgewächsen gehörende Blütenpflanze Oroxylum indicum.

Datierung

Nakamura (2004) datiert die Mandukya-Upanishad auf das 1. oder 2. Jahrhundert.

Hierzu die Ansicht von Olivelle (1998):

Inhalt

Vers 1

Das Wort aum besteht aus den drei mātrās (Buchstaben) A, U, und M, wobei das A den Wachzustand symbolisiert, welchen wir mit unserem Geist und den Sinnesorganen nach außen gerichtet erleben. Das U vertritt den Traumzustand, in dem nach innen gerichtete Erlebnisse auftreten. Im Tiefschlaf, repräsentiert durch den Klang M, kann das von der Wunschnatur unbehelligte Bewusstsein sich auf sich selber konzentrieren.

Vers 2

Die vier Teile des Ātmans sind seine vier Bewusstseinszustände.

Die vier Bewusstseinszustände

Die Mandukya-Upanishad beschreibt vier Bewusstseinszustände, nämlich Wachen (jagrat oder viśva), Träumen (svapna oder taijasa) und Tiefschlaf (suṣupti oder prājña). Diese drei Grundzustände korrespondieren mit den Drei Körpern des Sarira.

Der vierte Zustand ist Turīya, reines Bewusstsein. Es bildet den Hintergrund zu den anderen drei Bewusstseinszuständen bzw. unterlagert sie. In diesem Bewusstseinszustand werden sowohl absolutes Saguna Brahman als auch relatives Nirguna Brahman transzendiert. In ihm wird Unendlichkeit (ananta) und Nicht-Abgesondertheit (advaita/abheda) wahrhaft erfahren. Er ist nicht-dualistisch, da keine Versuche stattfinden, die Realität in Konzepte (vipalka) zu zwängen. Und schließlich erfolgt auch die Wahrnehmung von Ajativada, dem Zustand ohne Ursprung (wörtlich übersetzt Weg des Nicht-Geborenwerdens).

Vers 3

Der erste Bewusstseinszustand, in dem wir unserer täglichen (Um)welt bewusst sind, ist Wachheit. Das Wachbewusstsein entspricht dem grobstofflichen Körper. Die Mandukya-Upanishad beschreibt es als nach außen gerichtete Wahrnehmung (bahiṣ-prajña), von grober Natur (sthūla) und universell (vaiśvānara).

Vers 4

Der zweite Zustand ist der des träumenden Geistes. Er entspricht dem feinstofflichen Energiekörper. Seine Wahrnehmung geht nach innen (antah-prajna), ist feinstofflicher (pravivikta) und brennender Natur (Taijasa).

Vers 5

Der dritte Zustand ist der des Tiefschlafs. Er entspricht dem Kausalkörper. In diesem Zustand ist das unterlagernde Bewusstsein vollkommen ungestört. Shankara beschreibt diesen Zustand als (siehe auch Vers 6)

Vers 6

Vers 7

Über die drei Zustände hinaus gibt es noch einen vierten, transzendentalen Zustand (amātrā), der (etwas anders ausgedrückt)

Vers 8

Vers 9

Vers 10

Vers 11

Vers 12

Kommentare

Der älteste, jetzt noch vorliegende Kommentar der Mandukya-Upanishad wurde im 8. Jahrhundert von Gaudapada, einem Vorläufer Shankaras, geschrieben. Dieser Māṇḍukya Kārikā ist die früheste Abhandlung über Advaita Vedanta und besteht aus einer Einleitung und 29 Versen. Shankara schrieb etwas später seinen Kommentar zur Mandukya-Upanishad (Bhashya), wobei er die Upanishad mit dem Kārikā Gaudapadas verschmolz. Anandagiri kommentierte dann seinerseits Shankara in seinem Tīkā sehr ausführlich.

Gaudapada übernahm in seinem Kommentar die buddhistischen Doktrin vijñapti-mātra (die letztliche Realität ist reines Bewusstsein) und Catushkoti (die so genannte Vier-Ecken-Negation). Gaudapada verwob beide Doktrin mit der Philosophie der Mandukya-Upanishad, was dann später von Shankara weiter ausgebaut wurde.

Rezeption im modernen Hinduismus

Laut Radhakrishnan enthält die Mandukya-Upanishad eine fundamentale Herangehensweise an die letztliche Realität.

Buddhistischer Einfluss

Laut Hajime Nakamura wurde die Mandukya-Upanishad wesentlich vom Mahayana-Buddhismus beeinflusst. In ihr lassen sich viele buddhistische Begriffe und Ausdrücke finden, insbesondere das Konzept von der Leere (Sunyata).

Sikh-Übersetzung

Für Sikh-Gelehrte stellt die Mandukya-Upanishad eine der faszinierendsten Upanishaden dar, da sie von den vier Seinszuständen handelt. Guru Gobind Singh ließ sie 1689 in Anandpur übersetzen.

Weblinks

  • Yoga-Wiki: Mandukya Upanishad. Yoga Vidya e.V. (Sanskrit-Text, Übersetzungen, Wort-für Wort-Übersetzung, Kommentare).

Literatur

  • Swami Nikhilananda: Mandukya Upanishad (Gaudapa Karika and Shankara Bhashya). 1949 ([1]). 

Einzelnachweise


The Mandukya Upanishad 3.2 Swami Krishnananda

Mandukya Upanishad con el Gaudapāda Kārikā Advaitavidya

Hindu Vedic Philosophy (Prasthanatrayam) Mandukya Upanishad

The Mandukya Upanishad Sanskrit Studies

Mandukya Upanishad 12 verses on aum — Tripurashakti